Heute möchte ich ein paar Bücher vorstellen, welche über das ehemalige DDR Regime und die damit verankerte Gesetzeslage mit anschließender Sicherungsverwahrung bzw. Zuchthaus und Straflager vorstellen. Weil ich schon seit langer Zeit, eigentlich schon über Jahre, einen Beitrag über das Straflager suchte, in dem ich (1979) eingesessen war und nach 7 Monaten durch die Amnestie vorzeitig entlassen wurde, und nun endlich einen Beitrag darüber gefunden habe, war ich mehr als erstaunt, daß eine ehemalige Strafgefangene ein Buch darüber geschrieben hat. Leider kann ich keine Fotos zum Lager selber im Internet finden. Ich denke jeder Außenstehende, der sich für die ehem. DDR interessiert, sollte auch einmal sehen, wie die Straflager aufgebaut und verschanzt waren.
Es war damals, als ich dort inhaftiert war, ein militärischer Strafvollzug, d.h. daß wir auch nachts strafexorzieren (marschieren) mussten, wenn ein Mithäftling sich etwas zu Schulden kommen lassen hatte. Das reichte schon vom Diebstahl einer Zigarette oder das Finden eines Kassivers (heimliche Nachricht nach außen). Die gesamte Zelle musste die Strafen mit über sich ergehen lassen, was nicht selten katastrophale Folgen hatte. Strafgefangene mussten sich selber untereinander erziehen und dem entsprechend wurde vom diensthabenden Wachpersonal bei Schlägereien auch nur selten eingegriffen.
Der Transport hin zum Straflager entpuppte sich als Viehtransport: Nach der Verurteilung dauert es meist bis zu vier Wochen, ehe man eine Bescheinigung für die Verlegung in ein festes Gefängnis erhält. Bei mir dauerte es nur zwei Wochen. Meine Untersuchungshaftzelle teilte ich mir bis dahin mit drei Frauen, d.h. zwei Etagenbetten, ein Tisch , vier Stühle (alles auf dem Betonboden befestigt) und eine Toilette. So sah unser Verwahrraum, so hieß es damals, aus. Bis dahin durften wir unsere persönliche Kleidung tragen, nur Gürtel, Schmuck, Schminke u.a.m. musste abgegeben werden. Gleich zu Beginn der Untersuchungshaft muss man sich einer mediz. Untersuchung unterziehen, dazu gehört auch eine Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten und Ungeziefer bzw. Läuse. Für mich war es eine große Erniedrigung.
Die Verlegung
Am Abend vor der Verlegung muss, wie nach jeder Haftentlassung, ein Schriftstück unterschrieben werden, in dem man bestätigt während des gesamten Aufenthaltes in der Anstalt ordentlich und medizinisch korrekt versorgt bzw. behandelt worden zu sein. Wir wurden abends vom Untersuchungsgefängnis mittels eines grünen Militär-LKWs mit einem vergitterten Fenster zu 20 Personen abgeholt und mussten vor Mitternacht auf einem Abstellgleis des Hauptbahnhof Magdeburg in einen abgestellten Waggon steigen, unter Häftlingen „Otto Grothewohl- Express“ genannt. Er war ein reiner Viehtransportwaggon, kleine Zellen, eigentlich nur Boxen, in denen jeweils vier Gefangene saßen, davon fünf in diesem Waggon und eine Toilette, welche von den Häftlingen sowieso nicht benutzt werden durfte, allenfalls vom Wachpersonal. In Halle mussten wir aussteigen und mit Handschellen über den Bahnhof laufen. Für mich war das besonders beschämend, weil ich in Halle Verwandte zu wohnen hatte. In Halle wartete der nächste Militär-Lkw auf uns, der uns zum Zielort dem „Straflager Bitterfeld – Dessau – Wolfen brachte.
Zitat:
Das MfS verwendete, für notwendige Transporte zu Gerichtsterminen und zur Verlegung von Häftlingen, eigene Transportmittel. Gemeinsame Merkmale waren:
– schallisolierte Ausstattung
– blickdichte und zivil wirkende Aufbauten
– Unterbringung in Käfigen oder Käftern, die eine Bewegungsfreiheit
nicht zuliessen (max. 65x80cm)
– Absonderung von Mithäftlingen
– Transport begleitende Sicherungsfahrzeuge
– zum Transport in die Haftanstalten kam der so genannte „Grotewohl-
Express“ zum Einsatz – spezielle Bahnwaggons die zum
abgeschotteten Transport aller DDR- Häftlinge verwendet wurden.
Hier mussten – auf oft tagelangen Transporten – sich 4 Häftlinge ca.
1,5 qm Raum teilen
Zitat Ende
Der erste Tag zog sich mächtig in die Länge, wir mussten uns vielen Untersuchungen (sie waren wohl vom Gesetz vorgeschrieben, um sich als Haftanstalt abzusichern) unterziehen. Am ersten Tag wurden wir auch eingekleidet, jede Frau bekam eine Uniform, ein blauer Rock mit passender Jacke, eine oder zwei hellblaue Blusen und schwarze Halbschuhe. Natürlich wurde nicht auf Konfektionsgrößen Rücksicht genommen, es wurde angehalten: “Passt“. Unterwäsche behielten wir ja unsere eigene und gekauft werden konnte auch neue, wenn wir erst mal Geld erwirtschaftet hatten. Erlaubt als Einkauf waren außerdem Tabak, Zigaretten, Schokolade und Kosmetikartikel, das alles gab es in der integrierten Verkaufsstätte der Anstalt zu kaufen. Bücher waren nicht erlaubt. Schreibpapier war immer Mangelware, konnte man aber jederzeit gegen Zigaretten oder Süßes eintauschen. Jeder Brief der nach draußen gehen sollte, wurde mindestens zweimal vom Dienstpersonal kontrolliert, mit Zensur versehen oder einfach nicht abgeschickt. Besuche konnten wir frühestens nach vier Wochen beantragen. Freigang? Was ist das?
Abends, täglich um 19.30 Uhr war die Sendung „Der schwarze Kanal“ mit Karl Eduard von Schnitzler, Pflicht, bei guter Führung durfte einmal pro Woche ein Film (der DEFA) oder eine Musiksendung angesehen werden.
Wie habe ich gelebt?
Wir waren zu 18 Frauen auf einer Zelle, schliefen in Etagenbetten und unsere Bettwäsche bestand aus einer Wolldecke als Inlett für den Bettbezug, einer Wolldecke als Einzug in den Kissenbezug und einer grauen kratzenden Wolldecke (als Bettlaken gedacht). Die sanitäre Einrichtung für uns 18 (!!!) Inhaftierten oder Zellengenossinnen bestand aus zwei Toiletten und zwei Waschbecken. Zum Duschen mussten wir in eine andere Baracke geführt werden, ja die Haftanstalt Dessau – Wolfen war ein Barackenlager, welches durch zwei dicke Mauern, die rings um die Barackenstadt verliefen, von der Außenwelt abgeschottet war, innerhalb der zwei Mauern liefen Hunde, die wir nachts immer laut bellen hörten (ich denke sie wurden extra so abgerichtet, um uns in Schrecken zu versetzen). Duschtag war immer mittwochs. Weil die JVA Dessau- Wolfen zu DDR – Zeiten außerdem ein Strafarbeitslager war wurden wir praktischerweise im nahegelegenen ORWO Filmkombinat Bitterfeld – Wolfen als Strafarbeiterinnen untergebracht. Mit der Bearbeitung von Filmrollen hatten wir jedoch nichts zu tun, wir wurden der chemischen Abteilung zugeteilt, in der kabeltrommelgroße Rollen mit Chemiefasern hergestellt wurden.
Zitat:
Bitterfeld-Wolfen, dieser Name stand zu DDR-Zeiten für chemische Industrie und Rückgrat der DDR-Wirtschaft, er stand aber auch für Dreck und hochgradige Umweltverschmutzung und wohnen wollte man dort auch nicht, in dieser Giftlandschaft.
Zitat Ende
Nach ca. 4 Wochen musste ich in den MD (Knastkrankenhaus) verlegt werden, weil es mir so schlecht ging, dass mir täglich mehr und mehr Haare ausfielen und ich nur noch über Übelkeit klagte.
…hier habe ich nun einen Buchtipp. Wenn sie mehr über die Hintergründe und (oder Haftbedingungen, auch über die Anstalt Dessau- Wolfen wissen möchten schauen sie hier (oder schreiben sie mich privat an)
Kurzbeschreibung
Die in Bautzen geborene Dagmar Meier-Barkhausen wurde 1974 wegen Vorbereitung zur Republikflucht zu sechzehn Monaten Gefängnis verurteilt. Nach einem Jahr im Haftarbeitslager Dessau wurde sie von der Bundesrepublik freigekauft. 1977 veröffentlichte sie das erste Buch unter dem Pseudonym „Tina Österreich“. In dem Roman „Ich war RF“ beschrieb sie Festnahme, Prozess, Verurteilung und Alltag in den Frauenhaftanstalten der DDR. Ihr zweites Buch „Gleichheit, Gleichheit über alles“ beinhaltete Kurzprosa über den Alltag in der DDR. Thema des dritten Buches „Luftwurzeln“ war die Übersiedelung in die Bundesrepublik. Bis 1997 war sie regelmäßig zu Lesungen und Vorträgen für das Gesamtdeutsche Institut, das Innerdeutsche Ministerium und verschiedene Vereine, Parteien und Schulen unterwegs. Sie hatte es sich zu einer Lebensaufgabe gemacht, über diese Themen zu berichten. Den Tag der Wiedervereinigung beschreibt sie als einen der schönsten Tage in ihrem Leben.
Eigenständige Veröffentlichungen (u.a.):
Österreich, Tina: Luftwurzeln. Anita Tykve Verlag Berlin, 1987.
Österreich, Tina: Gleichheit, Gleichheit über alles. Seewald Verlag Stuttgart, 1978.
Österreich, Tina: Ich war RF. Seewald Verlag Stuttgart, 1977.
Quelle: http://www.zeitzeugenbuero.de/
Und hier noch ein Buchtipp zum Thema Haft-Zwangsarbeit
Zwangsarbeit im Chemiedreick. Strafgefangene und Bausoldaten in der Industrie der DDR
Zitat von einem Opfer
Ein ehemaliger Strafgefangener beschreibt die Arbeitsbedingungen im Chemiekombinat Bitterfeld so: „Als ich das erste Mal in die Halle kam, wo die Natronlauge produziert wurde, dachte ich, das sind lauter wandelnde Leichen. Man sieht die Leute dort drin. Man denkt, die sind gerade aus dem Grab aufgestanden und laufen jetzt da durch die Gegend. Niemand wurde richtig in die Gefährlichkeit der Arbeit und die Schäden, die entstehen können, eingewiesen. Die Leute, die oben gearbeitet haben, haben immer mit Chlorgas zu tun gehabt. Ein Gebläse gab es nicht, nicht mal Luken. Alles war zugemauert worden, wegen der Fluchtgefahr“
Fazit der Studie
Dass die SED Gefangene und Bausoldaten in diesem außerordentlich schwierigen und hochgefährlichem Bereich der Produktion einsetzte, sieht Vesting als Reaktion auf die wirtschaftlichen Probleme der DDR. Ab Ende der 70er-Jahre seien die Betriebe aus dem Korsett der Planvorgaben einerseits und der fehlenden Investitionsmittel andererseits nicht mehr herausgekommen. Und so habe die Krise die Generaldirektoren dazu gebracht „Zwangsarbeiter“ anzufordern, schreibt Vesting: „Unter der Maxime, dass alles zum Wohle der Volkswirtschaft diene, wurde dieser Einsatz gerechtfertigt. Ohnehin waren tausende Arbeiter täglich ähnlichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Der Einsatz von ‚Staatsfeinden‘ war also in dieser Logik evident“.
Quelle: Justus Vesting – „Zwangsarbeit im Chemiedreick. Strafgefangene und Bausoldaten in der Industrie der DDR“
224 Seiten, broschiert
Ch. Links Verlag 2012
ISBN: 978-3861536758
Quelle: http://www.mdr.de/damals/zwangsarbeit-buchtipp100.html